Die vertikale Systemsteifigkeit der Schwingenkonstruktion

In der heutigen Folge wird der Einfluss der einzelnen Komponenten in der Primärfederstufe auf dessen vertikale Systemsteifigkeit näher betrachtet. Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist wiederum die in Folge 1 (siehe Blogbeitrag „Die Primärstufe als Schwingenkonstruktion“) vorgestellte Primärstufe, bestehend aus Radsatzschwinge, Radsatzführungsbuchse, Schraubenfederpaar, Zentrierungen und Zusatzfeder.

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Bild 1: Aufbau Radsatzführung und Primärstufe

Bewegen sich die Schraubenfedern in der hier betrachteten Primärstufe auf einer Kreisbahn, ist die resultierende vertikale Systemsteifigkeit nicht mehr identisch mit der eines rein vertikal verformten Schraubenfedersystem. Neben der vertikalen Federsteifigkeit kommen Steifigkeitsanteile aus der Schub- und Rotationsbewegung hinzu, die zu einer sogenannten „Verhärtung“ des Schraubenfedersystems führen. Diese Verhärtung bzw. parasitäre Steifigkeit kann bei in heutigen Schienenfahrzeugfahrwerken ausgeführten Schraubenfeder-Konstruktionen Werte von 40% und mehr des Steifigkeitswertes der rein vertikal verformten Schraubenfeder erreichen.

Zusätzlich kommt aus der rotatorischen Verformung der Radsatzführungsbuchse ein weiterer parasitärer Steifigkeitsanteil, der die Systemsteifigkeit weiter ansteigen lässt.

Ein derartiger Anstieg der vertikalen Systemsteifigkeit in der Primärstufe führt im Allgemeinen zu unerwünschten Effekten hinsichtlich des Fahrkomforts und des Schwingungsverhaltens, sowie der Sicherheit gegen Entgleisen. So kann es durch den Anstieg der Eigenfrequenz der Fahrwerks-Nickschwingung zu einer Kopplung dieser mit der ersten Wagenkastenbiegeschwingung kommen, aus der dann ein reduzierter Fahrkomfort resultieren kann. Ebenso führt eine erhöhte Primärfedersteifigkeit in der Regel zu einem Anstieg des Y/Q-Kriteriums, das ein Maß für die Sicherheit gegen Entgleisen darstellt.

Um die durch parasitäre Steifigkeitsanteile angestiegene Systemsteifigkeit der Primärfederstufe wieder zu reduzieren, müssen die über die kreisförmige Bewegung der Radsatzschwinge eingebrachten Auslenkungen verringert bzw. die zugehörigen Nachgiebigkeiten erhöht werden. Diesem Zweck dient die bereits erwähnte Zusatzfeder. Zum einen bewirkt diese durch die serielle Anordnung mit dem Schraubenfedersatz eine Reduktion der Systemsteifigkeit, zum anderen ergibt sich durch eine geeignete Wahl der Horizontalsteifigkeit dieses Gummi-Metall-Bauteils die Aufteilung der Auslenkungen zwischen Schraubenfedersatz und Zusatzfeder. Einen eher geringen Anteil an der Reduktion der Auslenkungen hat im Allgemeinen die kardanische Steifigkeit der Zusatzfeder.

Damit die Zusatzfeder die beabsichtigte Aufteilung besonders der horizontalen Auslenkungen aufnehmen kann, muss sich diese in ihrer Einbauposition entsprechend verformen, d.h. bewegen können. Konstruktiv muss dies z. B. bei der Anordnung oberhalb des Schraubenfedersatzes im Federtopf des Fahrwerksrahmens berücksichtigt werden. Jedwede Blockade der freien Verformung würde ansonsten wieder zu einem Anstieg der Systemsteifigkeit in der Primärstufe führen.

Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang die durch die Zusatzfeder hervorgerufene mögliche Bauraumreduktion für den Schraubenfedersatz, die zu einem Anstieg der Systemsteifigkeit führen kann. Verringert sich der Bauraum – hier in erste Linie die Bauhöhe der Schraubenfedern, kommt es durch die verringerte Anzahl an federnden Windungen zu einer höheren Bauteilsteifigkeit. Da dieser im Allgemeinen aus bauteilspannungstechnischen Gründen, z. B. durch eine Reduktion des Drahtdurchmessers, nicht vollständig ausgeglichen werden kann, ist eine Abstimmung der Bauteilgeometrie und -steifigkeit von Schraubenfedersatz und Zusatzfeder notwendig, um hier das optimale Ergebnis für die Systemsteifigkeit der Primärstufe zu erzielen.

Vita

Ausbildung

Studium: Maschinenbau, Technische Universität Hannover
Abschluss:
Diplom-Ingenieur, 1998

Beruflicher Werdegang

1998 – 2001: INTEC GmbH, Projektingenieur für Schienenfahrzeuganwendungen (MKS-Simulation)

2001 – 2022:

ALSTOM Transport Deutschland, Fachprojektleiter Lauftechnik (2001 – 2015)

ALSTOM Produktplattformen Coradia Meridian, Coradia Continental und Coradia Nordic

Technischer Projektleiter Fahrwerke (2015 – 2017)

ALSTOM Produktplattform Coradia Stream

Leiter Feder- und Dämpfersysteme Bereich Fahrwerke (2017 – 2022)

Auf- und Ausbau Abteilung und Berechnungsmethodik

Arbeitspaketleiter in der WG5 des EU-Forschungsprojektes „DYNOTRAIN“ (2009-2013)

Leiter Arbeitsgruppe “Radsätze” für Coradia Nordic (2012-2015)

Mitgliedschaften

Mitglied der Ingenieurkammer Niedersachsen als Beratender Ingenieur. 

Mitglied des DIN FSF NA 087-00-02-03 UA, Unterausschuss Feder- und Dämpfungssysteme im Fahrwerk. 

Mitglied im Verein Deutscher Ingenieure (VDI). 

Veröffentlichungen

Polach/Böttcher, A NEW APPROACH TO DEFINE CRITERIA FOR RAIL VEHICLE MODEL VALIDATION, IAVSD Conference Qingdao, 2013

Polach, Böttcher, Vannucci, et al., VALIDATION OF SIMULATION MODELS IN THE CONTEXT OF RAILWAY VEHICLE ACCEPTANCE, Proceedings of the Institution of Mechanical Engineers, 2014

Begleitung des Bauteilentwicklungs- und Validierungsprozesses

Auf dem Weg zu spezifikationskonformen Komponenten möchte Ihnen das IFSB die optimale Unterstützung zukommen lassen. Neben der Auswertung von Herstellerangeboten betrifft dies die Begleitung des Komponentenentwicklungsprozesses vom Projektstart bis zur Bemusterung.

Entscheidend für den erfolgreichen späteren Betriebseinsatz der Komponenten ist ihr Validierungsprozess. Hier gilt das besondere Augenmerk der anwendungsbezogenen Lebensdauerüberprüfung. Das IFSB unterbreitet Ihnen hierzu Vorschläge und begleitet die Validierung beim Hersteller, wie auch bei externen Prüflaboratorien.

Erstellung Bauteilspezifikation

Zentrales technisches Dokument zur Entwicklung beim Komponentenhersteller ist die Bauteilspezifikation, die alle Anforderungen an die Komponente beinhaltet. Dies sind neben den bereits genannten Einsatzbedingungen und Komponentencharakteristika z. B. normative, werkstoffbezogene und konstruktive Anforderungen. Auch Vorgaben zur Logistik und Dokumentation der Komponenten, sowie zur – dies ist ein entscheidender Schritt zur Absicherung der Entwicklung beim Hersteller – Komponentenvalidierung werden gemacht.

Zur Erstellung dieser Angaben kann das IFSB auf langjährige Erfahrungen in der Schienenfahrzeugindustrie zurückgreifen, die Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit mit verschiedensten Komponentenherstellern miteinschließt.

Durchführung von Auslegungsrechnungen

Basierend auf den ermittelten Lastannahmen erfolgen die anwendungsbezogenen, belastungsgerechten Auslegungsrechnungen für die Fahrwerkskomponenten. Die Bestimmung der mechanischen Komponentencharakteristika orientiert sich üblicherweise an zur Verfügung stehenden Einbauräumen, Auslenkungen und Werkstoffbelastungsgrenzen. Auch Frequenzbetrachtungen können berücksichtigt werden.

Als Ergebnis liefern die Auslegungsrechnungen die Komponentencharakteristika für die technische Bauteilspezifikation und damit die erforderliche Datenbasis für eine erfolgreiche Komponentenentwicklung.

Ermittlung von Lastannahmen und Einsatzbedingungen

Die Ermittlung kundenspezifischer und auf die jeweiligen Einsatzbedingungen angepasste Lastannahmen stellt das Fundament der Komponentenauslegung und -entwicklung dar. Leider sind die üblicherweise im Fahrzeugneubau verwendeten Simulationen oder Messungen bei der Ersatzbeschaffung von Komponenten nicht immer verfügbar.

An dieser Stelle unterstützt das ISFB mit seiner 20-jährigen Erfahrung aus dem Schienenfahrzeugbau. Neben langjährigen Erfahrungswerten kommen analytische Berechnungen zum Einsatz, die die Eingangsdaten für die folgende Komponentenauslegung und -spezifikation bilden.

Dieser Ansatz kann auch bei der Komponentenanpassung Verwendung finden.

SCOPE

Schienenfahrzeuge stellen ein komplexes und langlebiges Investitionsgut dar. Sie unterliegen während ihrer oftmals mehr als 30-jährigen Einsatzzeit einem ständigen Instandhaltungsprozess. Änderungen von Einsatzbedingungen erfordern vielfach eine technische Anpassung an die neuen Anforderungen.

Das Fahrwerk mit seinen Komponenten steht dabei häufig im Fokus. Zum einen unterliegen dessen Komponenten einem steten Verschleiß, der die instandhaltungsgerechte Erneuerung erfordert. Zum anderen bieten sie die Möglichkeit, durch die richtige Anpassung auf die geänderten Einsatzbedingungen reagieren zu können.

Gerade die Einsatzzeit von 30 Jahren und mehr bedeutet zum heutigen Zeitpunkt eine Herausforderung für die Komponentenbeschaffung. Existieren bisherige Bezugsquellen der Fahrwerkskomponenten nicht mehr oder steht deren Dokumentation nicht mehr zur Verfügung, gerät die Nachbeschaffung zu einer schwer lösbaren Aufgabe.

Hier setzt das vierstufige Beratungskonzept des IFSB mit seiner Expertise an. Damit Ihre Schienenfahrzeuge auch weiterhin sicher und immer an die herrschenden Einsatzbedingungen angepasst fahren können!

Vierstufiges Beratungskonzept:

Stufe 1: Ermittlung Lastannahmen und Einsatzbedingungen

Stufe 2: Durchführung von Auslegungsrechnungen

Stufe 3: Erstellung der Bauteilspezifikation

Stufe 4: Begleitung des Bauteilentwicklungs- und Validierungsprozesses

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Häufig gestellte Fragen

Das IFSB führt im Rahmen seines vierstufigen Beratungskonzeptes eine Ermittlung der Bauteilbelastungen durch. Anhand dieser Belastungen können im Allgemeinen Aussagen über mögliche Schäden am Bestandsbauteil, z. B. durch Überlastung, getroffen werden, die ein Re-Design erforderlich machen.

Bei der Umsetzung des anschließenden Bauteil-Re-Designs führt das IFSB die erforderlichen Auslegungsrechnungen durch, erstellt die zugehörige technische Bauteilspezifikation und begleitet den Bauteilentwicklungs- und Validierungsprozess.

Eine gutachterliche Stellungnahme erstellt das IFSB in diesem Zusammenhang aber nicht. Wird diese erforderlich, kann das IFSB auf bestehende Kontakte zu Gutachtern zurückgreifen.

Das IFSB unterstützt die Beschaffung von Fahrwerkskomponenten mit seinem vierstufigen Beratungskonzept. Der Belastungsermittlung und der Bauteilauslegung folgt der Entwurf der technischen Bauteilspezifikation.

Durch die langjährigen Erfahrungen im Schienenfahrzeugbau bestehen Kontakte zu Komponentenherstellern, die für die zugehörige Anfrage genutzt werden können. Nach der Auswertung der einzelnen Herstellerangebote und dem Kaufentscheid des Kunden übernimmt das IFSB die Begleitung des Komponentenentwicklungsprozesses vom Projektstart bis zur Bemusterung.

Der kaufmännische Beschaffungsprozess selbst verbleibt beim Kunden.

Grundsätzlich lässt sich das Beratungskonzept des IFSB auch auf andere Komponenten von Schienenfahrzeugen übertragen, z. B. Schwingungsdämpfungssysteme von Aggregaten am Fahrzeugkasten oder Gelenkverbindungen zwischen den Wagenkästen von Gliederzügen.

Gerne unterbreitet das IFSB Ihnen hierfür ein Angebot.

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